Newsletter vom 17. juni 2024
Schön, dass Du Dir ein wenig Zeit genommen hast, um diesen Newsletter zu lesen.
Ich würde ich mich sehr freuen, wenn ich Dir damit keine wertvolle Zeit stehle, sondern das Lesen Dir Deine Zeit ein wenig wertvoller macht. Es geht heute nämlich um die Qualität der Zeit.
Eigentlich sollte der Newsletter schon gestern Abend raus. Dann meldeten sich aber unerwartet zwei gute Freunde und ich habe den Abend bei einem Glas Wein (na ja, können auch zwei Gläser gewesen sein) in sehr netter Runde verbracht. Ich hatte also keine Zeit mehr (Chronos) für den Newsletter, und habe die Zeit, die mir zur Verfügung stand, mit einer anderen Qualität (Kairos) gefüllt.
Im Altgriechischen gibt es drei Wörter bzw. Begrifflichkeiten für die Zeit
Aiṓn, Chronos und Kairós
Aiṓn hat mehrere Bedeutungen. Ursprünglich war es ein Begriff für die Ewigkeit, steht aber auch für einen sehr langen Zeitraum, für eine Generation oder auch für das gesamte Leben. Vielleicht kennst Du ja auch die Redewendung „Seit Aiṓnen…“, die in manchen Mythen und Erzählungen vorkommt.
In unserer modernen Welt kennen wir hauptsächlich Chronos, die chronologische oder sequentielle Zeit, dargestellt durch die Uhr, gemessen in Sekunden, Minuten, Stunden, Tagen, Wochen, Monaten und Jahren.
Der Name kommt von Kronos, einem Titan, Sohn des Uranos. Uranos ist ein Urgott, dem sein Sohn Kronos bekanntermaßen das Gemächt absäbelte, das dann vor Zypern ins Meer fiel und die Liebesgöttin Aphrodite (Venus) gebar. Aber das ist eine andere Geschichte. Dafür haben wir jetzt keine Zeit.
Ich möchte mich hier hauptsächlich mit Kairos beschäftigen. Kairos ist der jüngste Sohn des Zeus und ist der Gott der Zeitqualität, der Gott des günstigen Augenblicks. In einem Gedicht von Poseidippos, einem Kumpel von Homer, stellt Kairos sich vor:
„Wer bist du?
Ich bin Kairos, der alles bezwingt!
Warum läufst du auf Zehenspitzen?
Ich, der Kairos, laufe unablässig.
Warum hast du Flügel am Fuß?
Ich fliege wie der Wind.
Warum trägst du in deiner Hand ein spitzes Messer?
Um die Menschen daran zu erinnern, dass ich spitzer bin als ein Messer.
Warum fällt dir eine Haarlocke in die Stirn?
Damit mich ergreifen kann, wer mir begegnet.
Warum bist du am Hinterkopf kahl?
Wenn ich mit fliegendem Fuß erst einmal vorbeigeglitten bin, wird mich auch keiner von hinten erwischen, so sehr er sich auch bemüht.
Und wozu schuf dich der Künstler?
Euch Wanderern zur Belehrung.“
Auf dieses Gedicht wird die Redewendung „Die Gelegenheit beim Schopfe packen“ zurückgeführt. Wie wäre es, wenn wir in Zukunft mal weniger messen, regeln, einteilen und bewerten, sondern nach günstigen Gelegenheiten Ausschau halten und sie ergreifen, bevor wir nur noch den kahlen Hinterkopf sehen?
Und wie wäre es, wenn wir die Zeitqualität wieder spüren und nutzen lernen?
Kommen wir zum Bügeln: Das ist eine Tätigkeit, der ich so gar nichts abgewinnen kann. Dennoch muss ich öfter mal so einiges bügeln. Die Wäsche aus der Therapiewohnung und sogar oftmals meine T-Shirts und Jeans (verdanke ich meinem Jungfrau-Aszendenten 😉).
So habe ich mich vor ein paar Tagen mal wieder missmutig zu meinem Bügelbrett gequält, um dem stattlich angewachsenem Haufen Knitterwäsche zu Leibe zu rücken. Irgendwann fiel mir dann ein Spruch ein, den ich selber gerne immer mal voller gefühlter Lebensweisheit (Löwe-Sonne) zum Besten gebe: „Nicht deine Probleme machen Dich fertig, sondern die Gedanken, die du dir darüber machst.“. Und dann habe ich mal ganz gezielt versucht, dem Bügeln etwas Positives abzugewinnen. Zuerst habe ich begonnen, ganz achtsam zu bügeln, es quasi als meditativen Prozess zu betrachten. Und dann habe ich die Idee zu genau diesem Newsletter gehabt. Und wenn dieser Newsletter jetzt der Einen oder dem Anderen gefällt und „etwas bringt“, dann hat die Zeit des Bügelns doch eine ganz andere Qualität gewonnen.
Spür mal rein in die unterschiedlichen Zeitqualitäten - zum Beispiel in die Jahreszeiten:
Der Frühling hat die Zeitqualität des Säens und des Aufbruchs, der Sommer hat die Zeitqualität des Verwurzelns, des Wachstums und des Hegen und Pflegens. Der Herbst hat dann die Zeitqualität des Erntens und der Belohnung, während der Winter die Zeitqualität der Ruhe, der Klarheit, ja auch des Sterbens hat.
Nun spüre Du für Dich mal in die Zeitqualitäten des Lebens: Kindheit, Jugend, Erwachsensein, Alter.
Und dann vielleicht in die Zeitqualitäten Deines Lebens.
Übrigens: Das Geburtshoroskop zeigt die Zeitqualität zum Zeitpunkt Deiner Geburt. Es sagt überhaupt nichts darüber aus, wie Dein Leben verlaufen wird. Aber es zeigt die Möglichkeiten und Risiken. Und das kann äußerst wertvoll für das „Selbstbewusstsein“ sein. Selbstbewusstsein im Sinne von „sich selbst bewusst sein“.
Genau dieses „Selbstbewusstsein“ ist ja auch das Ziel der Schattentherapie – sorry, der kurze Werbeblock musste sein.
Kommen wir wieder zurück zum Bügeln: Vielleicht hast Du ja auch so Tätigkeiten, die Du nicht so gerne machst. Bei manchen Menschen ist es leider nicht nur das Bügeln, sondern im schlimmsten Fall sogar das ganze Leben.
Schau mal, mit welcher Qualität Du Dir Deine Chronos-Zeit füllst. Bei Tätigkeiten, die Du vielleicht nicht so gerne machst. Bei Aufgaben, bei denen du am liebsten „aufgeben“ möchtest. Gibt es ein Bedauern über Möglichkeiten, die Du nicht genutzt hast? Ergreifst Du die Gelegenheit beim Schopf, wenn sie sich bietet oder erwischst Du bedauernd den kahlen Hinterkopf nicht mehr?
Ich wünsche Dir, dass Du dir ab jetzt immer die Locke schnappst.
Herzlichst Dein
Hajo